In einem Verein schliessen sich Menschen mit gemeinsamen Werten und Zielen zu einer Zweckgemeinschaft zusammen. Das Vereinswesen ist in der Schweizer DNA tief verankert und Vereine entsprechend häufig – wohl auch, weil unsere Eidgenossenschaft ähnlich funktioniert: Der staatsbildende Zweck wird unter Beteiligung der Bürger*innen umgesetzt, die dazu aufgerufen sind, das Land aktiv mitzugestalten. Diese Beteiligung ist zentral, ohne Teilnahme erlischt das gemeinsame Anliegen.
«Der Staat sind wir alle»: Wunsch oder Realität?
Im Milizsystem wird der Gemeinschaftsgedanke konkret. Individuelles Engagement, permanenter Austausch zwischen Volk und Politik sowie die «Nahbarkeit» staatlicher Einrichtungen sind Charakterzüge der direkten Demokratie und Garant für die Stabilität ihrer Institutionen. Sie stärken die Glaubwürdigkeit der Entscheidungsträger*innen, wecken das Verständnis für andere und die Konsequenzen gemeinsamer Beschlüsse und festigen nicht zuletzt den überregionalen Zusammenhalt. Durch die Partizipation der Bürger*innen werden Staatsangelegenheiten zum persönlichen Wirkungsfeld; in der Miliztätigkeit durchdringen und beleben sich Alltag und Staatsleben. Alle übernehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten öffentliche Aufgaben und engagieren sich für das Gemeinwohl. Weil aber beides immer seltener wird, verkommt die Mitmach-Schweiz zu einer Zuschaudemokratie.
Dieser Entwicklung will der Verein ServiceCitoyen.ch entgegensteuern. Der Zusammenschluss junger «Mitmach-Bürger*innen» nimmt das schwindende Miliz-Engagement als Anlass für einen Appell zu einem gemeinsam verwirklichten Gesellschaftsauftrag. Für dessen Erfüllung sollen sich Alltag und Staatsleben verflechten und alle Bewohner*innen der Schweiz sich gleichermassen einbringen.
Den Milizgeist neu wecken
Der Verein beginnt Anfang 2021 mit der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements. Ziel ist es, die Bundesverfassung so zu ändern, dass alle Bürger*innen mindestens einmal im Leben einen Dienst zugunsten von Gesellschaft und Umwelt leisten. Prinzipiell absolvieren dabei Frauen und Männer miteinander einen Gemeinschaftsdienst mit Einsatzmöglichkeiten in allen gesetzlich anerkannten Aufgaben im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise in Armee, Zivil-, Umwelt- oder Kulturgüterschutz.
Auf diese Weise soll ein neu gedachtes Milizsystem entstehen, mit dessen «Vereins»-Zweck sich alle identifizieren können – ein System, das verbindet und aus der Zuschaudemokratie-Schweiz eine menschliche, lebendige Mitmach-Schweiz macht.
Noémie Roten ist Fachjournalistin für Gesundheitsökonomie, Militärersatzrichterin und Co-Präsidentin von ServiceCitoyen.ch. Der Verein setzt sich für die Förderung des Milizengagements ein und plant die Lancierung einer Volksinitiative zur Einführung eines Gemeinschaftsdienstes. Dieser Text ist im Buch «Macht: Direkte Demokratie» erschienen zur Gründung der Stiftung für direkte Demokratie. Exemplare des Buches können hier bestellt werden.